Mofa-Fahrt zu den Koma (7.7.-8.7. 1984)

Schon viele Jahre vor dieser Tour war es mein Wunsch, einmal die südlichen Dörfer des Bulsalandes zu besuchen und vor jedem Ghanaaufenthalt stand dieses Unternehmen auf dem Forschungsplan. Nachdem ich durch Pastor Howard Brant von den Terrakotten in Yikpabongo gehört hatte, konzentrierte sich mein Wunsch auf das Komaland, nicht nur um dort möglichst viele Terrakotten zu fotografieren, sondern auch um die kulturelle und sprachliche Verwandtschaft der Koma zu den Bulsa zu untersuchen. 1981 scheiterte mein Plan, da der damals noch nicht überbrückte Sisili-Fluss in der Regenzeit stark angeschwollen war.
Als ich Anfang Juli 1984 wieder das Bulsaland betrat, höre ich überall Klagen der Bauern über den ausbleibenden Regen, denn eigentlich sollte der Höhepunkt der Regenzeit schon erreicht sein. Der Grund für das Leid der Bauern war für mich ein Anlass zur Freude, denn alle Flüsse hatten noch einen recht niedrigen Wasserstand. Ein zweiter Grund, die Fahrt nach Yikpabongo zu wagen, bestand darin, dass ich in meinem Assistenten Peter Wangara aus Sandema-Kobdem einen jungen Mann fand, der schon mehrmals mit Howard Brant, einem Missionar der “Good News Church” (heute “Bible Church of Africa”) bei den Koma gewesen war und angeblich auch den Weg kannte.
Unsere Fahrt mit dem Mofa war für den 7. und 8. Juli geplant. Am aufregendsten war die Nacht vor der Fahrt und vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben nahm ich abends eine Schlaftablette. Peter, ein außergewöhnlich großer und schwerer Mann, kam pünktlich. Die schwersten Dinge unseres Gepäcks bestanden aus der Kamera, 1 Liter Benzin (zusätzlich zum vollen Tank) und 1 Liter Zitronentee, dazu etwas Brot sowie ein wenig Medizin und Verbandszeug.

Um 6.35 Uhr starten wir, sind um 7.40 Uhr in Fumbisi und fahren dann über die neue Laterit-Piste nach Wiesi. Im Haus des Chiefs Leo werden wir freudig aufgenommen, auch wenn er selbst nicht anwesend ist. Leo hat mit seiner ganzen Familie den christlichen Glauben in der Form der “Good News Church” angenommen. Peter und ich fahren zur Furt über den Sisili, wo zwei ältere Frauen ihre Kleider waschen. Eine von ihnen zeigt und die Tiefe des Wassers, indem sie in voller Kleidung durch den Fluss watet. Das Wasser reicht ihr bis zur Brust. Sie bietet sich an, das Mofa allein auf dem Kopf durch den Fluss zu tragen, aber wir wollen es zuerst einmal selbst versuchen: ich trage es vorn, eine Frau und Peter hinten. Nachdem wir auch noch das Gepäck herübergeholt haben, befinden wir uns in der Northern Region of Ghana und der schwierigste Teil unserer Reise kann beginnen.
Kaum zu erkennen, hat Peter doch unseren schmalen Fußpfad gefunden, auf dem wir uns jetzt voran in Richtung Yikpabongo bewegen. Immer wieder bleiben wir im trockenen Sand stecken, auch mussten wir unser Mofa mehr durch Trampeln bewegen oder schieben als durch Motorkraft. Nach einigen Kilometern bin ich völlig erschöpft und denke an eine Rückkehr. Aber es ist erst 9 Uhr und selbst zu Fuß könnten wir heute noch Isiasi (Yizesi) erreichen. Dann entschließen wir uns zu einer neuen Art der Fortbewegung: einer schiebt das Mofa, der andere übernimmt die leichtere Aufgabe: er folgt mit dem Gepäck, dann wechseln wir die Aufgaben. Nach der ersten Rast wird der Weg besser, er besteht jetzt aus Erde, Steinen oder Felsen und wir können wieder zusammen mit Motorkraft fahren.
Endlich sehen wir, wie bei einer Fata Morgana, Strohdächer in der Ferne: ein unvorstellbares Glücksgefühl: Es ist Isiasi. Wir sind wieder unter Menschen, die uns etwas verwundert anschauen, aber zu jeder Hilfe bereit sind. Viele von ihnen verstehen und sprechen neben ihrer Muttersprache Mampruli auch Buli.
Die letzte Etappe wird schwieriger als die erste. Wir suchen Isabisa, aber es ist nur ein Ausläufer von Isiesi. Bald haben wir völlig den richtigen Weg verloren. Wir kommen an eine Felskette, über die wir das Mofa nicht einmal schieben können, vielmehr muss es einer dem anderen nach oben weiterreichen. Endlich sehen wir zwei Feldarbeiter und hoffen, dass wir kurz vor Yikpabongo sind, aber er weist uns genau in die Richtung aus der wir gekommen sind. Die Arbeiter führen uns bis zu dem richtigen Weg und einer trägt sogar mein Gepäck. Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich als einziger unbepackt gehe, denn Peter, der auch völlig erschöpft ist, schiebt das Mofa. Es ist noch 2 km bis zum Ziel.Yikpabongo-1984_2000
Wie groß ist die Freude, als wir durch Bäume und Büsche braune Lehmhäuser erkennen können. Es ist Yikpabongo. Unterkunft gewährt uns der Grundschullehrer Amos. Zuerst muss ich natürlich die beiden Häuptlinge des Dorfs besuchen. Der ältere zeigt uns eine große Janusfigur, die ich später im Besitz von van Ham in Rotterdam wiedersehe und deren Abbild ich später im Großen Brockhaus veröffentliche. Außerdem einen janiformen Topfdeckel, der später auch in Anquandah’s ersten Publikation abgebildet wird. Ich habe sehr großen Durst, denn der Zitronentee in meiner Flasche ist aufgebraucht. Zum Abendessen trinke ich dann doch einige Schluck braunes, schmutziges und nicht abgekochtes Wasser. Vor dem “Zu-Bett-gehen” kann ich noch das Spielzeug von einigen Kindern fotografieren – es sind alte Terrakotten und ein Mann bringt mir eine Schüssel mit 17 Figuren. Man drängt mich, doch einige Figuren mitzunehmen, aber ich will keine Gefahr eingehen, in die Rolle eines illegalen Händlers gestoßen zu werden. Die Nacht war grauenvoll. Zum Schlafen hatte ich nur zwei aneinander gestellte Holzbänke ohne Decke. Immerhin war ich vor Schlangen und Skorpionen geschützt, aber ein echter Schlaf hat sich nicht eingestellt. In der Nacht regnet es und der Regen schafft eine erste Abkühlung. Nach einigen weiteren Aufnahmen und Besuchen dränge ich um 8 Uhr zum Aufbruch, denn ich befürchte, dass der Sisili-Fluss durch den Regen angestiegen ist. Ich vermutete,, Da der Sand der Fußpfade durch den Regen etwas fester geworden ist, vermute ich, dass die Rückfahrt leichter wird. Aber dann kommen die auf der Hinfahrt passablen Untergründe aus Erde, die sich jetzt in einen Matsch umgewandelt haben. Diesmal verlaufen wir uns in dem Dorf Isiasi und müssen unseren Weg von Compound zu Compound erfragen.
Der Sisili-Fluss ist noch passierbar, auch wenn mir das Wasser nun bis zum Hals reicht und die Strömung stärker geworden ist. Beim Überqueren verletze ich mir meinen Fuß an einem Stein und muss später die blutende Wunde versorgen. In Wiesi kehren wir im Haus des Chiefs ein, der diesmal zu Hause ist. Am Eingang höre ich schon einen lauten Ruf “Hallo, Francis”. Er kommt vom Chief selbst. So etwas entspricht in keine Weise der von einem Chief geforderten Etikette, aber Leo war immer schon etwas moderner eingestellt. Wir hatten uns zuletzt 1973 (?) gesehen.
Auf der Rückfahrt durch das Bulsaland habe ich nur noch eine Sorge: Reicht mein Benzinvorrat aus? Für die unwegsamen Gebiete habe ich mehr verbraucht als vorherberechnet. Einige hundert Meter vor der Presbyterianischen Missionsstation von Kobdem, meiner Unterkunft, bleibt das Mofa stehen. Der Tank ist völlig leer. Gerne schiebe ich die letzten 100 Meter und bin erleichtert, dass die Fahrt trotz aller Mühsal und Probleme doch ein großer Erfolg war. Als erster deutscher Ethnologe habe ich ein Gebiet im Süden des Bulsalandes betreten und konnte außerdem noch Informationen und Fotos heimbringen, die in den nächsten Jahrzehnten noch eine große Rolle spielen würden.
In den folgenden Jahren bin ich noch häufiger nach Yikpabongo und zu den Koma gefahren. 2001 war es eine Tagestour mit dem Geländewagen von Anne Schwarz (s. Aufsatz “Doppelpanne”). Im Dezember 2002 (3.12.-9.12) stellte uns der District Chief Executive (deutsch etwa “Landrat”) James Agalic einen Geländewagen mit Fahrer für die Hinfahrt zur Verfügung. Am Ende unseres Aufenhaltes holte er uns, meinen Assistenten Tahiru und mich, wieder ab. Ähnlich war es 2005 und 2006, als ich die Koma mit Yaw besuchte. 2008 fuhren Yaw und ich mit dem Bus und den Fahrrädern auf dem Verdeck über Nangruma nach Yikpabongo und 2011 besuchten wir viele Orte, auch außerhalb des Koma-Gebietes, mit Yaws Motorrad.

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Erste Kontakte mit Ghana

Die letzten Wochen vor meinem ersten Ghana-Aufenthalt waren vielleicht anstrengender und Nerven-aufreibender als die ersten in Ghana. Da ging es zum Beispiel um die Beurlaubung

Prof. R. Schott

vom gymnasialen Schuldienst. Mein Gesuch um eine einjährige Beurlaubung wurde definitiv vom Kultusministerium abgelehnt, da die Arbeit an einer Doktorarbeit eine ganz private Sache sei. Dann stellte mir Herr Prof. Schott ein anderes Angebot des DAAD vor. Ich sollte für zwei Jahre das Deutschlektorat an der Universität Cape Coast innerhalb des Department of French einrichten und auch dort Sprachkurse und Vorlesungen abhalten. Zu meiner großen Überraschung wurde meinem erneuten Antrag, nun auf zwei Jahre, vom Kultusministerium entsprochen, weil eine Förderung der deutschen Sprache im Ausland im Interesse des Staates lag.

Mein Flug war eine aufregende Angelegenheit. Ich hatte schon viele Flugreisen nach Afrika gemacht, aber diesmal sollte es die große Feuerprobe meines Lebens sein. Zwei Jahre lang ohne Heimaturlaub in einem tropischen Land, nicht als Tourist oder Besucher, sondern um dort einen Beruf auszuüben. Zudem gäbe es kein vorzeitiges Zurück ohne das Gesicht zu verlieren. Mein Schwager Jo hatte hinter meinem Rücken durch sein Reisebüro ein Zimmer im Ambassador Hotel (Accra) bestellt. Es war bequem, bei der Ankunft zu wissen, wo man hinwill, aber der Übernachtungspreis war ganz prohibitiv hoch.

Nachdem ich mich in meinem Hotelzimmer etwas eingerichtet hatte, wollte ich in der Abenddämmerung noch einen kleinen Spaziergang um das Hotel herum machen. Ich wurde sofort von einer Gruppe Ghanaer angesprochen: dass ich wohl ganz neu hier in Accra sei, denn sonst wüsste ich, dass man hier des Abends nicht alleine ausgehen kann. Ich war ihnen dankbar, denn was wäre geschehen, wenn ich am ersten Tag schon ausgeraubt oder sogar verletzt worden wäre.

Das Gasthaus der Universität, meine erste Bleibe

Mein Problem war, wie ich mit meinen schweren Koffern nach Cape Coast kommen konnte. Ich fragte einen Taxifahrer nach dem Preis. Er sagt mir, sein “Bruder” würde mich am nächsten Tag im Auto nach Cape Coast bringen. Am nächsten Morgen stand ein Auto vor dem Hotel, das fast auseinander fiel. Aber ich hatte ja zugesagt. Unterweges sagte mir der Fahrer, dass das Auto über eine Million Meilen hinter sich hat. Aber alles ging gut bis etwa Winneba. Dann hatten wir unsere erste Panne. Trotzdem: Um die Mittagszeit war ich in Cape Coast auf dem Campus: relativ saubere Gebäude, die Wege von Palmenreihen flankiert, recht gute Wege usw. Im zentralen Sekretariat spreche ich mit dem Registrar Mr Mante: Er ist entsetzt. Man hatte mich noch nicht erwartet. Die Sache sei noch gar nicht ausgegoren. Allerdings sprachen die letzten Briefe von der Universität eine andere Sprache. Trotzdem war man im Ganzen freundlich.

Der Registrar (Mante) erklärte mir, ich solle mich zuerst mal ein Semester lang ausruhen und an die neue Situation gewöhnen. Der DAAD erwartete jedoch von mir, dass ich möglichst bald mit Deutschkursen beginne, da er ja schon das volle Gehalt bezahlte. Weil ich keine andere Möglichkeit hatte, bastelte ich selbst Plakate, die den Beginn meiner Übungen anzeigten und heftete sie an allen möglichen und unmöglichen Stellen an Wänden und Bäumen und besorgte mir dann selbst einen Vorlesungsraum, den ich zuerst für viel zu groß hielt. Meine erste Sitzung war überwältigend. Es kamen so viele Studenten, dass der Raum zu klein war. Es stellte sich aber bald heraus, dass viele nur möglichst schnell ein Stipendium für Deutschland haben wollten. Schließlich entstanden drei Veranstaltungen: Eine Vorlesung über den Zusammenhang zwischen Deutsch und Englisch, Deutsch für Anfänger in der Universität, Deutsch für Fortgeschrittene bei mir im Bungalow in der Raintree Avenue. Letzter Kursus bestand aus Godfrey Achaw, der Frau und zwei Kindern eines holländischen Dozenten (Verkruisse) und einem Dozenten für Griechisch.

Ich merkte bald, dass ich an der Universität sowohl Freunde als auch Feinde hatte. Zu meinen frühen Freunden gehörten mein Chef, Herr Prof. Carey Tailor mit seiner französischen Frau und der Dekan der philosophischen Fakultät, Herr Prof. Peter Morton Williams, ein Ethnologe (!), der mit der lebhaften und blutjungen Ghanaerin Mercy seit 1963 verheiratet war.

Prof. Peter Morton-Williams

Mein erster Kontakt mit Peter war bemerkenswert. Ich erhielt eine offizielle Vorladung, den Dekan zu einer bestimmten Zeit aufzusuchen. Mir schwante nichts Gutes. Bestimmt gab es wieder Probleme. Nach Anmeldung bei der Vorzimmerdame kam ich in einen riesigen, durch eine Klimaanlage unterkühlten Raum, an dessen unterem Ende ein Schreibtisch stand. Dahinter saß der Dekan. Ich schritt durch den Saal, nahm Platz vor dem Schreibtisch und hörte die üblichen Begrüßungsworte. Dann kam er auf den eigentlichen Zweck meiner Einladung zu sprechen. Er hatte gehört, dass mein Wagen noch nicht angekommen ist und ich doch sicher ein Auto brauchte. Sein Wagen stehe in einer stets offenen Garage, der Wagenschlüssel hänge an einer bestimmten Stelle an der Wand. Wenn ich den Wagen brauchte, sollte ich ihn einfach benutzen. Es war für mich unglaublich, wie er so etwas einem wildfremden Menschen anbieten konnte. In der Folgezeit habe ich zwar nie von dem Angebot Gebrauch gemacht, aber nach Gundis Ankunft hatten Peter, Mercy, Gundi und ich doch manche schöne Abendstunden bei einem Glas Bier im Elmina Motel verbracht. Man könnte meinen, dass Peter und ich nun gefachsimpelt hätten, und die beiden Frauen ehrfürchtig zugehört hätten. Es war genau umgekehrt.  Die große Unterhalterin war Mercy. Zum Erstaunen aller Gäste tanzte sie allein zur Radiomusik auf der Terrasse des Restaurants, nahm Kontakte zu andere Gästen auf und man konnte Peter ansehen, wie stolz er auf seine Frau war. Sie selbst gebrauchte sehr gerne den Ausdruck “Wir Briten…” denn sie hatte die britische Staatsangehörigkeit.

[Anmerkung: Peter starb 2018 im Alter von 95 Jahren. Den Nachruf für die renommierte Zeitung “Guardian” schrieb seine Witwe Mercy]

Es gab an der Universität nicht nur erfreuliche Ereignisse, an die ich mich gerne erinnere. Sicherlich gab es bei vielen Dozenten, Professoren und Studenten auch eine starke

Prof. E.A. Boateng

Weißenfeindlichkeit, wie ich sie später bei den traditionell lebenden Bulsa und Koma nie erlebte. An die Universität war ich als Deutschlektor von Professor Boateng (Vice Chancellor) gerufen worden, ein hochgebildeter Mann, der allerdings sein Elitedenken etwas übertrieb. Einmal ließ er mich zu ihm kommen und fragte, ob ich hier finanziell zurechtkomme, denn die Weißen können nicht so einfach leben wie die Afrikaner, und er fragte mich nach meinem Gehalt, das ich aus Deutschland bezog. Ich sagte: “4000 DM”. “Ja, das ist viel. Ich habe, nebenbei, ein Gehalt in der gleichen Höhe. Aber als Europäer wäre das wohl doch etwas zu wenig, auch wenn ich kostenlos einen Bungalow der Universität bewohnte”, war seine Antwort. Peinlich wurde es für mich, als ich ihm nach Aufdecken eines Missverständnisses erklären musste, dass dieses mein Monatsgehalt sei, während er selbst von seinem Jahresgehalt sprach.

Die Studentenvertreter hatte sich Boateng schnell zu Feinden gemacht. Wenn Vertreter der Studenten mit einem Anliegen zu ihm kamen und ihnen auch nur einen kleinen Fehler im englischen Ausdruck unterlief, warf er sie sofort aus seinem Büro. Kein Wunder, dass er bei den Studenten nicht beliebt war.
Schmerzlich für mich war, dass ich den Studenten in ihren Angriffen auch ein Argument gegen den Vice Chancellor gab. Man warf ihm vor, dass er selbstherrlich einen deutschen lecturer geholt hatte, wodurch das Verhältnis der europäischen Sprachen im Vergleich zu den afrikanischen zugunsten der ersteren weiter verschoben wurde.
In meinem eigenen Department of French, war ein Mr. Br., nach Prof. Carey Tailor (“Head o of Department) ein völlig inkompetenter Kollege, mein schärfster Gegner. Die von ihm hochgeschätzte Lektüre war ausgerechnet Friedrich Engels “Ursprung der Familie”, in dessen evolutionistischen Grundtendenz den Afrikanern ja gerade keine schmeichelhaft Rolle zufiel. Als der amerikanische Schriftsteller Updike einen Vortrag über die Entwicklung des modernen amerikanischen Romans in der Aula der Universität hielt, hatten die Zuhörer Gelegenheit auch selbst Fragen zu stellen. Br. meldete sich sofort. In seinem wallenden weißen afrikanischem Gewand inszenierte er eine Anklagerede gegen die Amerikaner in der folgenden Art “Herr Updike wissen Sie, dass ihr erster Präsident Washington selbst ein Sklavenhalter war und Hunderte von Sklaven in seinem Dienste standen? Herr Updike, wissen Sie, dass…. “ So reihte er mit großer Rhetorik fast ein Dutzend Fragen hintereinander und setzte sich dann selbstzufrieden wieder an seinen Platz. Updike ging an das Mikrophon, sprach nur ein einziges Wort “Yes!” und setzte sich dann wieder, was natürlich ein allgemeines Gelächter zur Folge hatte. Br. war liiert mit der bekannten Schriftstellerin Ama Atta Aidu, die auch Dozentin für Englisch an unserer Universität war. Auch sie versuchte zu erreichen, dass ich wieder zurück nach Deutschland geschickt wurde (siehe Beitrag “Meine Begegnung mit Ama Ata Aidoo, 1973″ in <franzkr.wordpress.com>).
Durch ihre ständigen Angriffe erreichte die “Opposition” schließlich, dass Prof. Boateng die Universität verlassen musste. Sein Nachfolger als Vice Chancellor wurde Prof. Janney Ewusie, ein Naturwissenschaftler. In einer seiner ersten Amtshandlungen wollte er sich wohl bei den aggressiven Studenten beliebt machen und den deutschen Lektor sofort zurückschicken. Ich selbst war gerade in den Semesterferien bei den Bulsa, als mich ein Brief erreichte, dass ich unverzüglich zurück nach Cape Coast kommen sollte. Dort erklärte er mir ganz knapp, dass ich sofort Ghana verlassen müsse. Ich setzte mich natürlich sofort mit der Deutschen Botschaft und dem DAAD in Verbindung, und ohne dass ich in alles eingeweiht wurde, habe wohl ernste Gespräche stattgefunden.
Einen Befürworter fand ich in dem Chancellor der Universität, Casely-Hayford, der sagte, dass man sich an Verträge halten müsse und dass man eine Krise mit einem europäischen Land riskierte. Ich durfte also bleiben, aber meine Feldforschungen bei den Bulsa waren zuerst einmal stark gestört. Auch andere Professoren, zum Beispiel der Geograf Prof. Erdmann und der Naturwissenschaftler Prof. Hosny setzten sich für mich ein.

Prof. Carey-Taylor und seine Frau

Mein Chef, Prof. Carey Taylor, führte für mich Besorgungen aus und jeden Spätnachmittag fuhren er, seine Frau, ich und später auch Gundi zum Strand von Elmina, denn mein eigener Wagen war anfangs noch nicht in Ghana angekommen, sondern aus Versehen nach Lagos (Nigeria) verschifft worden. Herr Prof. Hosny (aus Ägypten) ließ sich von mir alle Wagenpapiere geben und studierte sogar meine Unterschrift ein. Er hat sich unermüdlich bei verschiedenen Behörden eingesetzt, bis ich schließlich den Wagen in Accra abholen konnte.

In Cape Coast fand ich auch zahlreiche Bulsa Mitarbeiter, Informanten und Freunde. Durch Vermittlung von Herrn Prof. Schott wurde Godfrey Achaw aus Sandema-Kalijiisa mein ständiger Mitarbeiter, Sprachlehrer, Organisator und Informant. Er machte mich mit allen acht Bulsa (-Familien) bekannt, die damals in Cape Coast lebten.
Leider wurde ich schon kurze Zeit nach meiner Ankunft in Ghana von der Malaria heimgesucht. Die gesundheitlichen Probleme habe ich in dem Artikel “Malaria” (<franzkr.wordpress.com>) dargelegt.
Mein erster Aufenthalt in Sandema wurde so stark durch die Malaria behindert, dass ich an einen vollständigen Abbruch meiner Forschungen dachte. Aus diesem Vorhaben wurde – Gott sei Dank – nichts, denn ich konnte in Cape Coast und bei den Bulsa noch genügend Material für meine Dissertation sammeln.

Mein „Käfer“ mit Godfrey Achaw (vor der Yeji Fähre)

 

 

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Meine Begegnung mit Ama Ata Aidoo (1973)

Ama Ata Aidoo und ich hatten eigentlich nur eine einzige persönliche Begegnung an der Universität Cape Coast. In einem großen Konflikt, der die ganze Universität umfasste, standen wir allerdings auf verschiedenen Seiten.
Es begann damit, dass Prof. B., der Rektor (Vice Chancellor) der Universität, mich über den DAAD als Deutschlektor an seine Universität berief. Ich kam dort für viele völlig überraschend und bei einigen auch nicht sehr erwünscht an. Gegen die angeblich etwas autokratische Herrschaft des Rektors, der selbst angeblich durch die strenge Schulung einer protestantischen Schule gegangen war (Bremen oder Basel?), hatte sich eine starke Studentenopposition gebildet. Man erzählte mir folgendes, wahrscheinlich mit einigen Übertreibungen: Wenn Studentenvertreter mit einem Anliegen zu ihm kamen, so ließ er sie zwar ausreden, wenn ihnen jedoch ein kleiner Fehler in der englischen Diktion unterlief, soll er sie aus seinem Sprechzimmer verwiesen haben. Ich verstand mich recht gut mit ihm, was mir nicht gerade zum Vorteil gereichte. Auch sein Projekt eines deutschen Sub-Departments im Department of French wurde als eine Fehlentscheidung des Rektors kritisiert.
Am 6. Juni 1973 lud man mich zur Fakultätssitzung ein, damit ich dort den Syllabus des neuen Fachs Deutsch vorstelle. Eine Gruppe der Teilnehmer versuchte zu verhindern, dass ich ihn vorstelle, denn man wollte das Fach ja gar nicht. Wortführer der Gegner waren Mr. Britwum aus dem Department of French und Ms Ama Ata Aidoo (Dept. of English), die damals schon einen guten Namen als afrikanische Schriftstellerin hatte und später Erziehungsministerin unter Rawlings werden sollte. Ihre Argumente waren, dass die deutsche Sprache nicht nützlich sei und dass sie für das Studium afrikanischer Sprachen eine Konkurrenz sei. In der Abstimmung gewannen die Gegner und ich kam überhaupt nicht zu Wort. Hieraus erklärt sich vielleicht auch, dass Ms Ama Ata Aidoo mich gar nicht wahrgenommen hatte.
Eines morgens, nachdem der Konflikt, angeblich durch Eingreifen des Pro-Chancellors und von Politikern, zugunsten des Deutschlektorats entschieden war, hatte ich meinen ersten persönlichen Kontakt mit Ama Ata Aidoo. Mein Steward und Koch Awunni meldete mir, dass eine Frau – es war Ama Ata Aidoo – mich sprechen möchte. Sie hatte gehört oder gesehen, dass eine von meinen beiden Autogaragen gar nicht genutzt wurde. Für zwei junge Männer – ich weiß nicht, ob es Studenten oder Hausangestellte waren – benötigte sie noch einen Wohn- und Schlafraum. Ich war sofort bereit, ihr meine Garage zur Verfügung zu stellen. Im Laufe des folgenden Gesprächs fragte sie mich, woher ich komme und welches Fach ich hier lehre. Als sie hörte, dass ich der Deutschlektor sei, bekam sie einen leichten Schreck, der sinngemäß so seinen Ausdruck fand: “Oh Gott, dann habe ich Ihnen ja große Schwierigkeiten bereitet!” Sie fügte sofort hinzu, dass sich ihre Opposition nie gegen meine Person gerichtet hat (sie kannte mich ja gar nicht persönlich). Vielmehr wollte sie nicht, dass die Lehre und Erforschung der afrikanischen Sprachen hierdurch eingeschränkt werden könnten. Ich versicherte ihr, dass ich auch nie einen persönlichen Groll gegen sie gehabt hätte. Damit war unsere einzige persönliche Begegnung beendet.
Link:  http://de.wikipedia.org/wiki/Ama_Ata_Aidoo

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Ghana 2012

„A“ wie Archive, „B“ wie Beach

Drei Wochen Forschungsarbeit in Accra (19. April – 12. Mai 2012)

Ein Aufenthalt (fast) ohne Stress! Meine drei Gastgeberinnen (Margaret Arnheim,

Christine und Emilia im Straßenverkehr

Tochter Christine Sam und Enkelkind Emilia) haben mir alle unbequemen oder aufregenden Tätigkeit abgenommen. Die beiden älteren Generationen kannten sich in Accra genau so gut aus wie in Münster, aber auch die neun Monate alte Emilia hat uns vor vielen Unannehmlichkeiten bewahrt. An den Grenzkontrollen wurden wir stets aus der wartenden Menschenmenge herausgefischt und als erste bedient. Im Flugzeug saßen wir in der ersten Reihe, mit viel Beinfreiheit und einer besonders aufmerksamen Bedienung. Emilias ständig gute Laune und ihr Lachen hat auch zur allgemeinen Aufheiterung beigetragen.

Dabei sollte dieser Aufenthalt eigentlich nur der Forschung und wissenschaftlichen Kontaktaufnahme dienen. Hierbei hatte ich eine große Hilfe in Yaw Akumasi, Pastor der Restoration Power Chapel in Wiaga, und mein langjähriger Mitarbeiter. Er war die lange Strecke aus dem Norden nach Accra gekommen, nur um mir bei meiner Arbeit im Archiv und den Korrekturen am Wörterbuch zu helfen. Außerdem zeigte er sich wieder einmal als glänzender Organisator, wenn irgendwelche Probleme auftraten.Folgende Punkte standen auf meinem Programm für die Zeit in Accra:

1. Arbeiten im Nationalarchiv   (Public Records and Archives) über die Geschichte der Bulsa. Das Archiv, ganz in der Nähe des Nationalmuseums gelegen, ermöglichte ein angenehmes und erfolgreiches Arbeiten. Zur Anmeldung benötigt man die Bürgschaft („witness“) eines ghanaischen Beamten oder einer Person in sicherer Position. Prof. Awedoba (Legon) war hierzu gerne bereit.

Im Nationalarchiv

Anders als im Regionalmuseum Tamale (2005) war das Abfotografieren der Urkunden, Akten und Karten erlaubt (Tagesgebühr 5 GHC, d.h. ca. 2,10 €). Unter den von mir bisher besuchten Archiven (z.B. London, Oxford, Tamale, Sandema) bietet das Nationalarchiv Accra bei weitem das ausführlichste Material in Bezug auf Nordghana.

Über die Bulsa, in der Kolonialzeit zum Navrongo Distrikt gehörend, findet der interessierte Benutzer Berichte (reports) der Commissioners über ihre Besuche in den Bulsa Dörfern, Briefe an Vorgesetzte, informelle Tagebücher und immer wieder Gerichtsprotokolle, meistens über Familienangelegenheiten (Scheidung, entlaufene Frauen), kleine Diebstähle und Betrügereien).

Es muss erwähnte werden, dass viele der Dokumente vergilbt und ausgetrocknet sind und bei leichter Berührung auseinander brechen. Ein Abscannen des gesamten Archivmaterials wäre ratsam, zumal durch seine Digitalisierung auch eine bessere Verbreitung und eine leichte Anfertigung von Kopien möglich wäre.

2. Arbeiten an der Neuauflage des Buli-English Dictionary.

Im Ramada Hotel (bekannter unter dem alten Namen Coco Beach Hotel), in unmittelbarer Nähe des Strandes, fanden Yaw und ich einen geeigneten Platz für unsere Arbeiten. Anfangs hatte ich befürchtet, dass das Abklopfen der Tonhöhen mittels eines Metall-Xylophons zumindest die Aufmerksamkeit der anderen Hotelgäste erregte, vielleicht sogar als Belästigung empfunden wurde. Aber wir wurden gar nicht beachtet. In Ghana ist man nicht so lärmempfindlich wie in Europa. Wie anders war es doch, als ich in „meinem“ Bulsa Gehöft in Wiaga-Badomsa das erste Mal mein Xylophon benutzte. Kinder und Frauen füllten die Türöffnung meines Zimmers, dessen einzige größere Lichtquelle, so aus, dass es fast dunkel im Raume wurde.

3. Kontakte in der University of Ghana (Legon)

Mein wichtigster und hilfreichster Kontaktmann war Prof. Albert Awedoba. Er überreichte mir einen Vorabdruck seiner Rezension in der Zeitschrift Research Review  über mein Buch First Notes on Koma Culture und nahm meinen Aufsatz „Rotation without Genealogy. The Office of the Rainmaker in Yikpabongo“ (ebenfalls für Research Review) entgegen.

Von den Archäologen besuchte ich Dr. Kankpeyeng, den derzeitigen Ausgräber der Komaland Terrakotten in Yikpabongo, und Dr. Clement Apaak, ein Bulsa, der auch die Radiostation von Legon leitet.

Ein wichtiges Anliegen war es, im University Bookshop zu erkunden, ob in Deutschland erschienene Werke dort verkauft werden können. Wie mir Herr Emmanuel Tonyica, der Manager, erklärte, ist man im allgemeinen hier nicht bereit, für ein Buch, wie zum Beispiel First Notes on Koma Culture, das in Deutschland für 54,90 € verkauft wird, mehr als 50 Ghana Cedis (ca. 21 €) zu bezahlen. Die Studenten leihen sich solche Bücher gewöhnlich in den Büchereien aus und machen dann Fotokopien. Wir entschlossen uns zu einem Experiment. Ein Exemplar des genannten Buches sollte für 50 Ghana Cedis im Bookshop angeboten werden, um das Interesse der Kundschaft zu erkunden. Als ich einige Tage später vorbeikam, war das Buch verkauft. Später erklärte sich der LIT-Verlag (Münster) großzügigerweise bereit, dem Bookshop zuerst einmal zehn Exemplare zum Preise von 15 € plus Porto zuzusenden.

4. Komaland-Terrakotten in Museen und auf dem Kunstmarkt

Das Nationalmuseum Accra zeigt etwa 15 Komaland Terrakotten. Die Ausstellung trägt die Handschrift Prof. Anquandah, so zum Beispiel, wenn die Figuren Koma-Balsa-Terrakotten genannt werden. Auf einer einführenden Texttafel werde ich jetzt auch als Entdecker dieser Terrakotten genannt, allerdings wieder ohne Namensnennung („In 1984 a German anthropologist discovered…“).

7 Terrakotten aus Legon Museum

Komaland Terrakotten

Das Museum des Department of Archaeology (Legon) ist seit meinem letzten Besuch (2001) umgestaltet und erweitert worden. Die ausgestellten Komaland-Terrakotten entstammen wohl zum großen Teil den Ausgrabungen von Dr. Kankpeyeng und seinen Mitarbeitern (Prof. Insoll,

Arts Center: Janus

ghanaischen Doktoranden und zahlreichen Studenten). Siezeigen einen gutes Querschnitt der verschiedenen Figuren-Typen.

Meine Suche in dem Arts Center Accras nach Komaland-Terrakotten. Wir fanden nur zwei Exemplare: eine große Janusfigur und eine stöpselähnliche Terrakotta.

5. Fazit   

Meinen Aufenthalt in Accra möchte ich in wissenschaftlicher Hinsicht als erfolgreich bezeichnen. Er hat mir auch einen neuen Einblick in die seit meinem letzten Besuch eingetretenen positiven und negativen Veränderungen gewährt.

Coco Beach Hotel

Neu erbaute Luxushotels in der Nähe des Meeres und in der Innenstadt werden wohl auch den verwöhnten Ansprüchen von Touristen gerecht. Große klimatisierte Supermärkte (z.B. Koala) stehen in ihrem Warenangebot den europäischen in keiner Weise nach. Die Kehrseite des neu entstandenen wirtschaftlichen Aufschwungs zeigt sich in den ständig mit Fahrzeugen vollgestopften Straßen und die hierdurch verursachte Luftverschmutzung. Es ist auch fraglich, ob wirklich alle Volksschichten in irgendeiner Form an dem neuen Reichtum teilhaben können.

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Ghana 2011

Franz Kröger

                                           Bericht über den Ghanaaufenthalt 2011

Forschungsziele und ihre Durchführung

1) Vorbereitung einer Zweitauflage des Wörterbuchs Buli-English: Für die zahlreichen Überprüfungen von Formen, Tonhöhen und Bedeutungen stand mir praktisch nur mein Assistent Yaw Akumasi zur Verfügung. Ein früherer Mitarbeiter fiel gleich am Anfang durch zu hohe Lohnforderungen aus. In selbständiger Arbeit erstellten Melanie Akankyalabey und ihr Bruder James etwa 200 Buli-Beispielsätze zu den Stichworten.

 2) Sammlung weiterer Daten zum fast fertig gestellten Aufsatz über die Mungo-Verehrung bei den Bulsa und Koma. Hierbei konnten verschiedene Typen von juik/juang bei den Bulsa und Koma festgestellt werden. Das wichtigste Interview fand in dem Bulsadorf Biuk mit Hilfe von Fr. Isaac (Catholic Mission Wiaga) statt, bei dem eine Verbindung zum tobega-Kult der Nankana hergestellt werden konnte.

 3) Weitere Datensammlungen zu den Themen “Chieftaincy” und “History”. Da Yaw sich vor meiner Ankunft ein altes Motorrad gekauft hatte, konnten erstmals folgende Dörfer besucht werden und ihre chiefs in Bezug auf Häuptlingslisten, ethnische Minderheiten, Heiraten unter den Sektionen usw. befragt werden.

a) Tuvuu, N.R. (Mamprusi und Koma; Koma haben z.gr.T. Mampruli-Sprache angenommen)

b) Mugu N.R. (Mamprusi-Dorf mit einer Koma-Sektion)

c) Tantala N.R. (kein Interview durchführt)

d) Kunkwa: ein reines Bulsa-Dorf im Mamprusi-West District, N.R.; starker Wunsch nach Eingliederung in den Bulsa-District

e) Jadema: ein fast reines Mamprusi-Dorf mit einer kleinen Bulsa-Minderheit, N.R.

f) Kategra: ein reines Bulsa-Dorf im Mamprusi-West District, N.R.

g) Uwasi: Bulsa-Dorf im Bulsa District ohne fremde Minderheiten

h) Gbedembilisi: Bulsa-Dorf im Bulsa District ohne fremde Minderheiten (?)

i) Biuk: reines Bulsa-Dorf im Nankanni-Kasena District (selbst im Gehöft des chiefs konnte keiner Nankani sprechen); starker Wunsch nach Eingliederung in den Bulsa-District

 4) Bei den Koma wurde neben der Datensammlung zum Mungo-Aufsatz die Nachfolge zum Amt des Regenmachers untersucht. Das Amt rotiert in einer Sublineage des Barisi-Clans. Obwohl das genealogische Wissen der Informanten sehr gering war und der erste Ahne dieser Sublineage nicht ermittelt werden konnte, ist eine exakte Rotation möglich, das jedes Mitglied weiß, ob er zu einem anderen im Verhältnis eines (klassifikatorischen) älteren oder jüngeren Bruders, Vaters, Sohns, Großvaters usw. steht.

 5) Die Veränderungen in meinem Wohngehöft Anyenangdu Yeri (Wiaga-Badomsa) nach dem Tode des alten Gehöftherrn Anamogsi wurden beobachtet und durch Interviews erschlossen. Asuebisa, der älteste überlebende Sohn Anamogsis, war vor seiner Amtsübernahme überzeugter Christ, kehrte jetzt aber völlig zur traditionellen Religion zurück. Die Gehöftgemeinschaft wird wohl bis zur Totenfeier Anmogsis nicht auseinander brechen. Im Augenblick bemerkt man starke Bemühungen der Söhne Anamogsis um die jüngeren Frauen ihres Vaters. Diese können sich nach der Totenfeier einen neuen Gatten im Gehöft suchen.

Im Gegensatz zu früheren Besuchen konnte man mir bei meiner Ankunft von keinen neuen Fällen von Hexerei im Gehöft berichten.

 Die Situation im Bulsaland

Nach meinem letzten Aufenthalt bei den Bulsa (2008) sind weiterhin deutliche Anzeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs zu beobachten. An den Verbindungspisten entstehen neue Bungalows und mehrstöckige Gebäude (z.B. teachers’ quarters der Boarding School), in den Dörfern wurden zahlreiche weitere Schulen gegründet. Wesentliche Verbesserung im Ausbau der Pisten gab es allerdings nicht. Die Versorgung mit Trinkwasser hat sich stark verbessert. In Wiaga gibt es nun auch eine “water-factory”, in der keimfreies Trinkwasser in PVC-Tüten produziert und in andere Dörfer transportiert wird (in Sandema gab es schon drei dieser “factories”). Nachdem Sandema schon vor mehreren Jahren ein Leitungssystem für Wasser erhalten hatte, wurde dieses nun auch für Wiaga (z.T. mit Hilfe einer chinesischen Organisation) fertiggestellt (2010), zur Zeit allerdings nur für das Zentrum (Yisobsa). [Zur Wasserfabrik und den Wasserleitungen vgl. die ausführlicheren Berichte in Buluk 6].

Negative Tendenzen zeigen sich z.B. in der zunehmenden Umweltverschmutzung, im Alkoholismus und, vor allem in den letzten Jahren, in immer häufiger auftretenden Raubüberfällen auf abgelegenen Pisten. Kurz vor unserem Eintreffen in Yikpabongo war zwischen Yikpabongo und Nangurma eine Gruppe Marktfrauen ausgeraubt worden. David Sagri, mein wichtigster Helfer in Yikpabongo, wollte sich für das verdiente Geld in Sandema-Kobdem (Presby Agric Station) einen Pflug kaufen. Zwischen Sandema und Kobdem wurden er und zwei Begleiter von drei bewaffneten Räubern überfallen und ausgeraubt. Selbst die Frage, ob die Opfer getötet werden sollten, wurde unter den nur Englisch-sprechenden Räubern diskutiert.

Die religiöse Situation: Nachdem in Wiaga die Restauration Power Chapel (zu den Pfingstlern gerechnete Gruppe) bis zum Todes ihres Bischofs zur stärksten christlichen Kirche in Wiaga angewachsen war, trat nach dem Tod des Bischofs (Sandema) eine Spaltung ein. Donatus Asekabta, der Pastor von Wiaga, trat aus und konnte den allergrößten Teil der Gläubigen überreden, mit ihm der “Jesus Family” beizutreten. Den Rest der Gemeinde (etwa 100) übernimmt als neuer Pastor mein Assistent Yaw. Die Gemeindeschule hat auch bei Nicht-Mitgliedern einen regen Zulauf.

Die Situation des Islam, wenigstens in Wiaga, scheint sich verschlechtert zu haben. Während noch vor einigen Jahren diese Religion einen regen Zulauf hatte, ist die Zahl in Wiaga stark geschrumpft. An der islamischen Schule in Wiaga sind der Direktor und alle Lehrer, mit Ausnahme des Arabischlehrers, christlich. Als Gründe für den Rückgang wurden mir unter anderem die strengen Speisevorschriften (z.B. Verbot von Hunde- und Schweinefleisch) genannt. Der Maalam versicherte mir in einem Gespräch, dass man zwar das Verschleierungsgebot für Frauen als notwendig betrachtet, dass aber eine Einführung in nächster Zeit wohl nicht möglich ist. Das Verbot Goldschmuck zu tragen wird jedoch eingefordert.

 Kurztagebuch

23.11.10  Antrag auf ein Visum bei der Botschaft von Burkina Faso. Da die Gültigkeit des Visums mit dem Tag der Ausstellung beginnt, kann das Visum bei zu früher Bestellung und schneller Abfertigung zur Zeit der Anreise schon ungültig sein. Bei einem sehr spät eingereichten Antrag besteht die Gefahr, dass das Visum zu spät eintrifft, um noch ein Visum für Ghana beantragen zu können. Ich musste mehrere Telefongespräche mit der Botschaft führen.

(Ghana Visum für 3 Monate: 100 Euro)

24.11.10  860 Euro an Walther-Weltreisen (Bonn) für den Flug überwiesen

10.1.11  Um 13.20 Uhr Abflug von Düsseldorf über Paris (Charles de Gaulle) nach Burkina Faso. Zwei Übernachtungen (wie immer) im Hotel Central, Ouagadougou (pro

Nacht 30 000 CFA). Geldwechsel (Euro > CFA zum genau gleichen Kurs wie vor 3 Jahren: 1 Euro = 656 CFA).

12.1.11  Mit dem Taxi von Ouagadougou nach Paga (Grenze): 35 000 CFA (ca. 52 Euro), von der Grenze bis Anyenangdu Yeri noch einmal 20 000 CFA (30 Euro). Die Grenzabfertigung an beiden Seiten der Grenze ist völlig problemlos geworden. Der Immigration Officer hilft mir beim (schwarz) Eintauschen von Euros in Cedis. Beim Zoll wird kein Öffnen der Koffer verlangt.

13.1.11 Sympathising zum Tode meines alten Freundes Anamogsi (Gehöftherr): im kusung bei den Männern, im Amadok bei den Frauen. Danach zeigt man mir das Grab.

Einrichtung meines Quartiers in Anyenangdu Yeri:

Eine Solaranlage lohnt sich für meine Zwecke nicht mehr. Die schwere Batterie hat an den Flughäfen ständig zu Problemen geführt (Sonderuntersuchungen usw.). Batterieleuchten sind durch den geringen Strombedarf (LED) und die sehr billigen Batterien in Ghana das beste und billigste Beleuchtungsmittel. Als nach einigen Wochen der Solarregler meiner Solaranlage Probleme verursacht, verschenke ich Batterie, Solarmodule usw. an Yaw und einen Gehöftbewohner.

Transport: Nach Yaw ist Fr. Isaac (Wiaga) am meisten für das Gelingen meines Forschungsaufenthaltes verantwortlich. Sein Angebot, seinen alten Wagen zu benutzen, lehne ich ab, aber dankbar nehme ich ein gutes Fahrrad für die Zeit meines Aufenthaltes an (s. auch 2., 3. und 14. Febr. 2011). Kleinere Strecken (z.B. Einkäufe im Zentrum von Wiaga) habe ich mit dem Fahrrad vorgenommen, alle größeren Touren wurden als Beifahrer auf Yaws Motorrad vorgenommen. Yaw ist ein ausgezeichneter Geländefahrer, ich hätte mir selbst diese Touren als Fahrer nicht mehr zugetraut. Zwei Fahrten nach Bolgatanga wurden mit dem Sammeltaxe und Bus (pünktlich 7.30 ab Sandema) vorgenommen, da Yaw in Bolgatanga Kontrollen befürchtet (er hat keinen Führerschein und kein Nummernschild).

14.1.11 Fahrt nach Bolgatanga: Geldwechsel und Einkäufe, Simkarte für ca. 1 Euro mit 2.50 Euro Guthaben. Ich habe das Guthaben um 5 Euro (10 Cedis) aufgestockt und habe ein halbes Dutzend zum Teil längere Gespräche mit Deutschland geführt. Zum Schluss war das Guthaben noch unverändert (Preiskampf um Ghanamarkt Vodaphone – MTN).

17.1.11  Abfahrt nach Yikpabongo (Komaland, Northern Region) auf dem vollgepackten Motorrad (hinter mir der Koffer); das Motorrad, das noch kurz vorher eine neue Kolbenstange bekommen hatte, streikt alle paar Kilometer und wir müssen 10 Minuten Pause machen, bis der Motor sich abgekühlt hat. Die Strecke zwischen Wiesi und Yizeesi ist großenteils Sandpiste und wir bleiben häufig stecken. Ich hatte den Zeitpunkt für Yikpabongo so gewählt, dass ich noch die letzten Tage der Ausgrabungen durch Dr. Ben Kankpeyeng und Prof. T. Insoll beobachten und mit ihnen und ihren Studenten diskutieren konnte. Während dieser Zeit schlafen Yaw und ich im Gehöft des ehemaligen chiefs Nasigiri. Ben Baluri, der Ko-autor meines Buchs über die Koma, ist auch anwesend. Mein Haupt-Mitarbeiter wird David Sagri aus Nasigiri Tiging.

20.1.11  Magenverstimmung mit Erbrechen und starkem Durchfall (einzige Beschwerde während der Ghanafahrt. War es die Ratte zum Abendessen?)

21.1.11 Islamische Feier für den vor genau einer Woche (am 14.1.) verstorbenen Barisi-Chief unter Leitung eines Maalams (Nicht-Koma): Verteilung von maasa-Hirsekuchen und Auftritt der Imitatorin. Chief Sibiri ist in einem Zimmer begraben worden, dessen Fenster und Tür zugemauert wurden. Er praktizierte voll die traditionelle Religion, stand aber den Moslems nahe. Die Totenfeier findet zu einem viel späteren Zeitpunkt statt.

22.1.11. Fahrt nach Tuvuu, Mugu und Tantala (Mamprusi-West District)

24.1.11 Über Nangurma, Senta, Fumbisi zurück nach Wiaga

28./29.1.11 Besuch der Totenfeier einer kurz zuvor verstorbenen Frau in Wiaga-Longsa: nur Tika Dai (2. Tag) und Kpaata Dai (3. Tag)

29.1.11 Besuch der Wasserfabrik in Wiaga (Interview mit dem Betreiber)

31.1.11 Motorradfahrt nach Kunkwa (N.R.), Jadema (N.R.) und Uwasi (U.E.R.): Interviews der Häuptlinge

2.2.11 Mit Fr. Isaac: Interview des Vorsitzenden Dominic Atibil (Chiok) über Wasserleitungen in Wiaga

3.2.11 Mit Fr. Isaac in seinem Wagen über Navrongo in sein Heimatdorf Biuk. Interview des Häuptlings über die Geschichte Biuks und den Mungo-Kult

4.2.11 David Sagri, mein Assistent und Informant in Yikpabongo wird in Sandema Kobdem von Räubern überfallen. Ich ersetze ihm Teil des geraubten Geldes.

7.2.11  Zweite Fahrt nach Bolgatanga: Geldumtausch bei FOREX (schon verbesserter Kurs). Ich kaufe eine Landkarte (1:50000) vom Koma-Gebiet. Für Nordghana erscheinen Luftbild-Landkarten im Maßstab 1: 2500 (zur Zeit nur von Bawku und Umgebung)

In der Regional Library der Upper Region (Bolga) sind folgende Werke über Nordghana vorhanden: Allmann und Parker: Tongnaab; Carola Lentz: Ethnizität (engl) und E. Asiyuure Apalle: Murder… among the Gurunsi. Da ich die beiden ersten Publikationen schon besitze, kopiere ich das letzte Werk, eine Examensarbeit bei Alfred Agyenta, vollständig mit meiner Kamera.

9.2. Motorradfahrt über Fumbisi nach Kategra und Gbedembilisi. Zurück über Wiesi, Fumbisi.

14.2.11  Abfahrt: Fr. Isaac bringt mich und Yaw zur Grenze. Die Abfertigung ist wieder problemlos. Ich bekomme ein Sammeltaxi (15 Euro), das mich bis zum Hotel Central in Ouagadougou bringt.

15.2.11 Abends (21.20 Uhr) Abflug von Ouagadougou über Paris nach Düsseldorf (Ankunft 16.2.).

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My Intent / Meine Absicht

As an ethnographer I keep a diary only during the stays of my field research. I am going to publish some experiences and observations in German and English.
Als Ethnologe führe ich nur bei meinen Feldforschungen Tagebuch. Hiervon möchte ich einige Erlebniss und Beobachtungen (in Deutsch und English) als blog veröffentlichen.

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